"Abrechnung" mit Peru

In unseren Augen gibt es drei Perus: das unbekannte, das schöne und das hässliche. Die großen Dschungelgebiete im Norden und Osten sind - ähnlich wie in Bolivien - schwer erreichbar. Entweder man fährt tagelang mit einem Boot (die Nächte verbringt man in Hängematten) und es überfallen einen dann Myriaden von Moskitos. Oder man bucht Flug und exklusive Dschungellodge und es überfallen einen dann Myriaden von Moskitos. Da verzichten wir lieber. 

Das schöne Peru haben wir im Südosten im Hochland zwischen Titicacsee, Cusco und Nazca kennengelernt: Bilderbuchpanorama mit gewaltigen grünen Bergen, fruchtbaren Feldern, Inka-Kultur, unzähligen bunten Märkten, aufgeräumten, einfachen Dörfchen... und fast alle Frauen tragen hohe Hüte. Das Reisen im peruanischen Hochland bedeutet aber Hunderte Kilometer rauf und runter. Beispiel: Für die 660 km lange Fahrt von Cusco nach Nazca Richtung Pazifikküste brauchen wir zwei volle Tage á 9 Stunden. Wir starten auf 3600 m Höhe, runter gehts - immer in Serpentinen - auf 1200 m, rauf auf 4500 m, runter auf 1800 m, rauf auf 4200 m. Auf dieser Höhe rollt man dann zig Kilometer über eine total einsame Ebene. Man sieht kaum Häuser aber viele Lamas. Da steht plötzlich in the middle of nowhere ein Junge am Straßenrand und hält seinen Hut auf. Er bittet um Essen und bedankt sich anständig mit Handschlag. In solchen Situationen wird einem das Herz schwer. Bald darauf treffen wir auf einen radelnden Franzosen, der uns völlig verstört aufhält. Er hat während der Fahrt die vielen Serpentinen nach oben eine Packtasche samt Pass verloren. ???

Also: Das Hochland ist wunderschön, aber auf Dauer ein bisschen anstrengend wegen der Kurverei. Außerdem regnet es häufig und Seitenstraßen sind meist rutschige Erdwege (die Alternative, im Mai/Juni zu kommen war nichts für uns, weil wir in unserem Sommer zu Hause sein wollten). Aus diesen Gründen bewegen wir uns ab Nazca Richtung Pazifikküste, schauen uns ein paar Scharrlinien und eine kleine Oase mit Sandboardern an und entdecken dann das hässliche Peru. 1700 km fahren wir auf der Panamericana nach Norden durch eine öde Wüste und nur durch Schuttberge und Müll! Immer wieder weht ein Hauch von Verwesung und verfaultem Fisch durch die Fenster. Aufgeblähte Hundekadaver liegen am Rand, drüber kreisen die Geier oder weiß der Geier... Die Städte sind furchtbar. Wir haben die Peruaner durchwegs als nette, aufgeschlossene Menschen kennengelernt, aber sobald sie hinter einem Lenkrad sitzen, mutieren sie zum egoistischen, hupenden Straßenmonster. Tempolimit, Überholverbot, rote Ampel, Rücksichtnahme - was ist das? Überholt wird vorzugsweise von rechts, vor unübersichtlichen Kuppen oder Kurven. Unzählige Tuk-Tuks wuseln von allen Seiten daher, schlagen unberechenbare Haken, und jeder möchte seinen Beitrag zum allgemeinen Chaos leisten. Noch ein Phänomen: Leider haben viele Männer hier kein Schamgefühl. Eine solche Dichte von ungenierten Wildbieslern, die sich nicht mal von der Straße abwenden, haben wir noch nie erlebt. Zu allerletzt kommt noch dazu, dass man in diesem Teil Perus ständig von bewaffneten Überfällen liest, sowohl in der Overlander-App als auch im Reiseführer, was dann noch Traveller und sogar Einheimische bestätigen. Wir werden z.B. bei einem Übernachtungsplatz vor Lima gewarnt, hier nicht stehen zu bleiben. Rührend kümmern sich drei ältere Damen um unser Wohlergehen und überreden einen Wachmann, sein mit Stacheldraht bewehrtes Tor zu öffnen und uns in seinem abgesperrten Bereich parken zu lassen. Das alles trägt dazu bei, dass wir die Ohren anlegen und drei Tage á zwölf Fahrstunden durchstarten (Peru ist gut viermal so groß wie Deutschland!). Wir schlagen 80 km vor der Grenze zu Ecuador an einem idyllischen Strand mit sicherem Stellplatz auf und hängen ein paar Tage ab - ein versöhnlicher Abschluss.

Fazit: Peru ist in großen Teilen vergnügungssteuerpflichtig. Es erscheint uns viel schmutziger und gefährlicher als Bolivien. Vielleicht sieht es anders aus, wenn man im Überlandbus hinter abgedunkelten Scheiben reist (obwohl: Das würden wir auch nicht wollen. Ein Pärchen aus England erzählt uns, dass eine Fahrt statt angekündigter 10 Stunden schon mal 40 Stunden dauern kann). Schade halt, dass die negativen Eindrücke die vielen positiven derart überlagern, dass man sich eigentlich nur noch wünscht, möglichst schnell nach Ecuador zu gelangen, dem ein sehr guter Ruf vorauseilt.

Noch ein paar Zahlen: Essen gehen kostet für zwei Personen mit Getränken 20 - 30 €. Ein Glas Pisco Sour, an den man sich echt gewöhnen könnte!, 2 bis 3 Euro. Diesel wird in Gallonen angeboten und kostet umgerechnet pro Liter ca. 90 ct. Es gibt unglaublich viele Tankstellen! Schulnoten für Straßen: außerhalb der Städte 2, innerhalb 6 *. Straßengebühr wird häufig erhoben. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist überhaupt kein Problem. Die großen Märkte sind sehr gut sortiert. An den Straßenrändern wird viel Obst usw. angeboten, was einem aber in der benzingeschwängerten, staubigen Luft und zwischen Müllhaufen nicht gerade appetitlich serviert wird.